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Ein Glücksbringer für Shebikerider: Das Abschiedsgeschenk von Coco, der Tochter meiner chinesischen Gasteltern, wird mir den Weg weisen.

Die Route in China

Beinahe hätte ich eine Münze werfen müssen. Die Entscheidung, welche Route ich in China nehmen soll, war extrem schwierig. Die Ratschläge meiner Facebook-Freunde und der Blog-Leser haben mich zu Beginn mehr verwirrt, als dass sie mir geholfen hätten. Denn da kamen plötzlich ganz neue Ideen ins Spiel, wie etwa die Mongolei oder das tibetische Hochland – und damit noch mehr Optionen.

Entscheidend war der Moment, als ich auf den Bahnhof ging und mich erkundigte wie das nun mit dem Verladen des Bikes genau funktioniert. Aus der WhatsApp-Gruppe «Cycle the World Q&A» wusste ich, dass man das Velo in China aufgeben muss, und es in der Regel einen Tag länger als der Passagier benötigt, um an der Destination anzukommen. Soweit kein Problem: Es stellte sich dann aber heraus, dass die zuständige Firma keine Batterien transportieren würde.

Die Sache mit den Batterien

«Die Entscheidung wird mir abgenommen!», dachte ich schon erleichtert. Ich fragte die Schulleiterin der LTL Language School dann aber trotzdem, ob sie sich für mich nach einer anderen Transportfirma erkundigen könnte. Und siehe da: Der Delivery-Service von JD, dem grössten online Retailer in China, hatte kein Problem mit den Akkus.

Allerdings war mir nicht richtig wohl dabei, dass wir alle drei – das Bike, die Batterien und ich – separat reisen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass da was schiefgeht, ist zwar bei der Zuverlässigkeit der chinesischen Speditionsfirmen klein, aber trotzdem. Und dann war da dieser kurze Moment am Bahnhof, während dem ich dachte, ich hätte gar keine andere Option als von Shanghai loszufahren. Das Gefühl in diesem Moment war gar nicht so schlecht.

Bauch und Kopf sind gleicher Meinung

Warum mit dem Zug 1500 Kilometer nördlich fahren, wenn auf Höhe Shanghai gerade der Frühling beginnt?
Warum mit dem Zug 1500 Kilometer nördlich fahren, wenn auf Höhe Shanghai gerade der Frühling beginnt?

Ich ging die Vorteile eines Starts in Xi’an mit Ziel Duschanbe nochmals durch: Die Provinz Gansu mit ihrer grandiosen Berglandschaft, die Taklamakan-Wüste in Xinjiang und der Pamir Highway in Tadschikistan. Die geschlossene Linie, die sich so ergeben würde. Alles sehr toll.

Aber es gibt eben auch einige Nachteile: Im April ist es in Gansu noch recht kalt. Bis sicher Anfang Mai ist die Wüste wegen Sandstürmen zu meiden. Zudem müsste ich für Tadschikistan nochmals ein Visum mit einem GBAO-Permit (Gorno-Badakshan Autonomous Oblast) für den Pamir Highway beantragen. Dann sind da die zunehmenden Spannungen in der Uiguren-Provinz Xinjiang: Veloreisende berichten, dass man an den Polizeicheckpoints oft aufgehalten werde. Wenn man Pech hätte, würden wichtige Ausrüstungsgegenstände wie etwa Taschenmesser oder Campingkocher konfisziert, da man damit theoretisch einen Anschlag verüben könne. Und letztlich meine Familie zu Hause, die sich Sorgen um mich macht, wenn ich durch diese Konfliktregion fahre.

Warum ich ab Shanghai starte

Gleichzeitig habe ich mich damit befasst, was denn wäre, wenn ich von Shanghai losfahren würde. Dabei habe ich bemerkt, dass das gar nicht so unattraktiv ist. Da gibt es zum Beispiel das Huang Shan-Gebirge, mit seinen bizarren Felsformationen, immerhin ein Unesco-Weltkulturerbe. Zudem wäre das Klima bei einem Start ab Shanghai ideal zum Radfahren. Und last but not least: Ich kann einfach losfahren und bin weder von der Zuverlässigkeit einer Transportfirma noch von der Willkür irgendwelcher Beamten abhängig.

Okay, ich wollte ja eigentlich beweisen, dass der Flyer die Strecke zwischen Zürich und Peking problemlos schafft. Aber seit ich weiss, dass es in der Taklamakan-Wüste, der zweitgrössten Sandwüste der Welt, jeweils im Abstand von 50 Kilometern einen Polizeicheckpoint mit Wasser- und Stromversorgung gibt, gibt es da eigentlich nichts mehr zu beweisen.

Warum ich meine Pläne noch vage lasse

Mit Komoot aus dem Grossstadtdschungel: Shanghai ist zwar etwas grösser als Zürich, aber deutlich fahrradfreundlicher.
Mit Komoot aus dem Grossstadtdschungel: Shanghai ist zwar etwas grösser als Zürich, aber deutlich fahrradfreundlicher.

Darum habe ich mich entschieden: Ich fahre jetzt einfach mal los und lasse mich treiben. Ich schleiche den Bergen nach nach Norden und schaue mal, wie ich vorwärtskomme. Grobes Ziel ist Xi’an, wo ich dann wahrscheinlich nach Peking abzweige. Aber vielleicht mache ich dann doch mal ein paar hundert Kilometer mit dem Zug oder einem Lastwagen. Dann sieht dann plötzlich wieder alles ganz anders aus. Denn eines habe ich gelernt: In China kommt es meistens nicht so, wie man plant – und darum lässt man Pläne am besten erst mal vage.

Nur so viel: Morgen besuche ich die Fabrik, in der die Batterien für meinen Flyer hergestellt werden. Und am Mittwoch fahre ich Richtung Hangzhou los. Die ersten beiden Etappen werde ich wohl nicht aus dem urbanen Raum rausgekommen. Aber das macht mir keine Sorgen: Die Navigations-App Komoot funktioniert auch in Shanghai – und dank den vielen Rollern gibt es recht viel Platz für Zweiräder.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. René Birrer

    Hallo Andrea
    Spannend wie du zu deiner Entscheidungsfingung gekommen bist. Ich bin jetzt schon neugierig auf deine Berichte mit deinen gemachten Erfahrungen. Ich wünsche dir einen guten Start, viele nette Begegnungen und natürlich safes radeln.
    Liebe Grüsse
    René

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