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China rückt näher: Chinesische Arbeiter, die in Montenegro eine Autobahn bauen. (Bild: Andrea Freiermuth)

China beginnt in Montenegro

Wir sind bereits auf der Seidenstrasse. Das ist kein Witz, sondern die neue Realität. Etwa eine Stunde nachdem wir Podgorica, die Hauptstadt von Montenegro verlassen haben, fahren wir an einem blauen Torbogen mit chinesischen Schriftzeichen vorbei: Hier baut die Chinese Road and Bridge Cooperation eine Autobahn von der Adriaküste bis an die serbische Grenze.

Die neue Seidenstrasse beginnt in Montenegro: chinesische Schriftzeichen.
Erster Kontakt mit China: Der Torbogen, der ins Camp der chinesischen Arbeiter führt. (Bild: Andrea Freiermuth)

Ein Monsterprojekt, für das sich der Kleinstaat mit bloss 600 000 Einwohnern tief verschuldet. Die rund 160 Kilometer lange Strasse, die wegen der anspruchsvollen Topografie viele Tunnels und Viadukte erfordert, wird voraussichtlich mehr als 2 Milliarden Euro kosten. Denn Vorschuss gewährt China, womit sich der EU-Anwärter aber auch abhängig macht. Was auf dem Spiel steht, erklärt dieser Clip von «Vice»:

Hier folgt ein Video. Falls es nicht erscheint, bitte auf diesen Link klicken.

Für uns wird die Etappe zwischen Podgorica und der Kleinstadt Berane super spannend. Die Stecke, die wir geplant haben, führt uns genau entlang der Baustelle. Lange sehen wir keine Chinesen, sondern bloss fertige Schneisen, Tunneleingänge und planierte Flächen, die jedoch noch nicht asphaltiert sind. Etwa zur Tagesmitte kommen wir an einem ersten Camp vorbei, eine Ansammlung von Baracken mit blauen Dächern, die jedoch ziemlich verlassen wirken. Nach einer Abfahrt in einen Talkessel erblicken wir dann riesige Pfeiler eines künftigen Viaduktes – und hier hat es tatsächlich Arbeiter mit asiatischen Gesichtszügen. Ich teste mein «Ni hao» und ernte dafür freudige Gesichter.

Die neue Seidenstrasse beginnt im Montenegro, wo Chinesen eine Autobahn bauen.
Entlang der Baustelle: Heute eine Autobahn bauen, um die Märkte von morgen zu erschliessen. (Bild: Andrea Freiermuth)

Der Westen sollte sich für China interessieren

Ich liess die Shebikerider-Trikots bloss in Englisch beschriften. So blöd und so eurozentrisch. Und wie ich jetzt feststelle, beginnt das Reich der Mitte eigentlich schon auf der Türschwelle zu Europa. Dazu kommt: Den Sinn hinter «One Road, One Belt, One E-Bike», dem englischen Slogan, den ich für die Trikots gewählt habe, verstehen die meisten Europäer ohnehin nicht. Die «One-Belt-One-Road»-Initiative, mit der China die alten Handelswege neu beleben will, ist den wenigsten ein Begriff. Seit ich mich wegen meines Projekts mit China befasse, denke ich, der Westen sollte sich zwingend dafür interessieren. Das was da passiert, wird die Welt verändern. Schon die alten Römer wussten, wie wichtig Transportwege sind – und wo ihre Strassen hinführten, nahmen sie Einfluss.

Teilstück der neuen Seidenstrasse: Autobahn, welche Chinesen in Montenegro bauen.
Hier haben sich die Arbeiter bereits zurückgezogen: Es fehlt nur noch der Asphalt. (Bild: Andrea Freiermuth)

So oder so: Die chinesischen Arbeiter lesen kein Englisch. Würde ich chinesische Schriftzeichen tragen, hätte das wahrscheinlich für eine ziemliche Aufregung auf der Baustelle gesorgt. Schliesslich bauen die Arbeiter an der Strasse, auf der ich fahren möchte – wobei es natürlich nicht gerade eine Autobahn sein müsste, ein schöner Fahrradweg würde mir reichen.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Tobi Gessler

    Jetzt verlässt du das gewohnte Europa – und darum wirds ab jetzt spannend! Gratulation zu diesem interessanten Artikel!

    1. Andrea Freiermuth

      Faleminderit. Heute schon im Kosovo. Der Blog folgt. Nur so viel: Wer je wieder über Kosovaren meckert, der muss sich was von mir anhören…

  2. Tess

    Jetzt wird’s spannend – die Tour nimmt grad eine entscheidende Fokus-Wende bzw. -Ergänzung: nicht Shebikeriders erklärte Mission, der e-Bike-Mobilität zu Popularität zu verhelfen, wird das zentrale Thema sein, sondern eine authentische Reportage = Aufklärung über die realen Kräfteverhältnisse in der Welt, die sich „still und leise“ verschieben, während Europa mit seinen eigenen Problemem beschäftigt ist. Diese Berichterstattung ist mehr wert als alle Schreibtisch-Analysen in noch so renommierten Medien. Super, weiter so, Shebikerider!
    Gruss aus Gordola

  3. frankneuss

    Das Thema Seidenstraße spielt in den westlichen Medien kaum eine Rolle. Gerade deshalb ist es interessant was du zu berichten hast. Weiter so und: Save Ride 🙂

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