Ade Asphaltstrasse und Stromleitung. Der Flyer und ich brauchen nochmals eine letzte grosse Herausforderung und greifen den Pamir Highway an.
Bisher hatte ich absolut nie ein Problem, rechtzeitig eine Steckdose zu finden. Ehrlich gesagt: Es war fast etwas zu einfach. Das könnte sich bald ändern. Ich habe entschlossen: Der Flyer und ich brauchen nochmals eine richtig grosse Herausforderung. Darum sind wir jetzt unterwegs zum Pamir Highway.
Was nach Autobahn klingt, ist eine der beliebtesten Routen von Fahrradreisenden in Asien. Die Strasse führt über mehrere Pässe durch eine spektakuläre Bergwelt. Allerdings ist der Belag in einem sehr schlechten Zustand und vor allem: Auf weiten Strecken gibt es keinen Anschluss ans Stromnetz. Das heisst, ich bin auf Generatoren und Solarpanels angewiesen.
Eine letzte grosse Herausforderung
Der Pamir Highway war auf meiner ursprünglichen Route nicht eingeplant. Hätte ich das Double Entry Visa nach China erhalten, wäre ich bereits im April wieder in Tadschikistan gewesen. Dann liegt im Pamir noch zu viel Schnee. Ich wäre auf einer nördlicheren Strasse unterwegs gewesen, die tiefer liegt und entlang deren es mehr Infrastruktur gibt.
Von Ying und Yang
Ich habe inzwischen gelernt, die Dinge so zu nehmen wie sie kommen und den Umständen immer etwas Positives abzuringen. Schliesslich befinde ich mich im Land des Daoismus. Gemäss dieser Philosophie hat immer alles zwei Seiten: Yin und Yang, Licht und Schatten. Bekanntlich gibt es kein Licht ohne Schatten – und überhaupt: Wer will schon immer in der prallen Sonne stehen.
Nach meinem Blogpost über das Radreisen mit E-Bike gab es auf Facebook eine Diskussion. Neben Stimmen, die mir vorwarfen, dass ich die Philosophie des Radreisens verkenne, das Fortbewegen mit eigener Muskelkraft; wurde dort auch gesagt, dass man die wirklich schönen Gegenden abseits von Asphalt und Stromnetz mit einem E-Bike nicht erreichen könnte. Sowas lasse ich nicht gerne stehen. Darum denke ich inzwischen: Ich habe das Double Entry Visa nicht erhalten, damit ich dieses Teilstück des Pamir Highways in Tadschikistan fahren und zeigen kann, was mit einem E-Bike alles möglich ist.
Oder anders gesagt: Mein ursprünglicher Plan war Yin. Dass ich das Double Entry Visa nicht erhalten habe, war Yang. Und da die beiden als polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte wirken, entsteht jetzt etwas Neues.
Im Zug durch Xinjiang
Der Abschluss meiner Reise ist per Ende Juni geplant. Um daran festhalten zu können, werde ich rund 2500 Kilometer durch die Provinz Xinjiang mit dem Zug zurücklegen. Das heisst, ich lasse die Taklamakan-Wüste aus. Bei der Planung meines Projekts sah ich die zweitgrösste Sandwüste der Welt als das grösste Risiko für leere Batterien. Aber seit ich weiss, dass es entlang der Strasse alle 50 Kilometer einen Polizeicheckpoint mit Wasser- und Stromversorgung gibt, hat dieser Streckenabschnitt seinen Reiz etwas verloren.
Strom zu finden, ist in China generell sehr einfach. Aber der Transport von Batterien ist eine Knacknuss. Akkus werden hierzulande mit mehr Vorsicht gehandhabt. Im Zug mitführen geht gar nicht. So ein Powerpack würde sich schliesslich super eignen, um einen Anschlag zu verüben. Da man aber in China sowieso nicht mit dem Velo in den Zug steigen kann, sondern das Fahrrad bei einem Kurierdienst aufgeben muss, sah ich die Batterien bei einer allfälligen Zugreise lange nicht als Problem. Als ich mich dann aber in Shanghai am Bahnhof erkundigte, sagte man mir, dass Lithium-Ionen-Akkus ein No-Go seien.
Wie China tickt
In einer Kleinstadt in der Provinz Gansu habe ich es nochmals probiert. Dort gab es zuerst ebenfalls ein Nein. Aber da ich inzwischen weiss, wie China tickt, hat es dann doch geklappt. Ich habe mich auf einen Stuhl gesetzt, etwas hilflos aus der Wäsche geschaut und auf dem Handy herumgetippt – und nach 15 Minuten wurde aus dem Nein plötzlich ein Okay. Der Flyer ist jetzt bereits unterwegs nach Kashgar, in die westlichste Stadt von China.
Für den letzten Teil meiner Reise muss ich mich nochmals richtig gut vorbereiten. Der Pamir Highway ist nicht nur stromtechnisch eine Herausforderung. Ich muss mich ein letztes Mal auf eine neue Kultur und Sprache einlassen. Die Menschen in dieser Region sind Ismailiten und sprechen Pamiri. Ich hoffe, mit Russisch durchzukommen. Russisch spreche ich zwar auch nicht, aber die Sprache steht bei Google Translator zum Download bereit und ist somit im Gegensatz zu Tadschikisch auch offline zugänglich – Pamiri fehlt gänzlich.
Die Vorbereitung für den Pamir
Auch die Höhe macht eine gute Planung erforderlich. Der höchste Pass liegt auf über 4000 Meter über Meer. Ich muss meine Ausrüstung an warmen Kleidern aufstocken, Sorge bei der Akklimatisierung tragen und den kurzen Atem bei der Festlegung der Tagesetappen einplanen.
Zudem muss ich die Angst meiner Angehörigen managen: Im vergangenen Jahr haben Terroristen auf dieser Strecke ein Attentat auf Fahrradreisende verübt. Vier Personen wurden dabei getötet. Ich selber bin eigentlich recht entspannt. Die Behörden haben die Kontrollen auf diesem Abschnitt intensiviert. Zudem war die tadschikische Bevölkerung so bestürzt über den Anschlag, dass sich terroristische Kräfte wohl nicht nochmals ein ähnliches Ziel aussuchen werden, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.
Die Menschen entlang des Pamir Highways sind mausarm und für viele von ihnen sind Fahrradreisende und andere Overlander eine wichtige Einnahmequelle geworden. Auch das stimmt mich zuversichtlich: Ich glaube, ich werde auch in dieser abgelegenen Ecke dieser Welt, fern von Asphaltstrasse und Stromleitung, immer eine sichere Unterkunft für mich und meinen Flyer finden – und die Akkus vielleicht nicht jede Nacht, aber doch hoffentlich jeden zweiten oder dritten Abend laden können.
Hallo Andrea
Dein Mut und Abenteuerlust ist bewundernswert. Ich wünsche die gutes gelingen und eine sichere Fahrt. Bin jetzt schon gespannt auf deine Berichte. Möglicherweise triffst du auf 2 Motorradfahrer aus der 🇨🇭, die auch gerade da unterwegs sind.
Liebe Grüsse
René
Ich drücke Dir die Daumen!!!
Für die Zugfahrt und durch die imposante Bergwelt.
Otto
Hallo Andrea, ich wünsche Dir alles Gute und hoffentlich kannst Du die Bergwelt auch geniessen. Bin schon auf Deine Berichte gespannt! Gute Reise für Dein Fahrrad und für Dich und natürlich auch für Deine Batterien. Liebe Grüsse aus dem Wallis Beate
Hoi Andrea
Super was du machst, ich drücke dir fest die Daumen und hoffe, dass alles gut geht. Ich erinnere mich noch gut, wie du mich vor 20 Jahren überzeugt hast mal mit dem Velo dem Rhein entlang ans Meer zu fahren….würde mich nach deiner Rückkehr auf ein gemeinsames Bier im Gambrinus freuen.
Herzlicher Gruss aus Rheinfelden
Kaspar
So schön Kaspar. Freue mich auf das Bier mit dir!
Andrea, was für n Projekt, was für Bilder, welche Vielfalt an Eindrücken und Gefühlen! Die unermessliche Freiheit, und sie hat wie Alles ihren Preis. Bin hin und weg, hab grössten Respekt! Lass mich / uns wissen, wenn man Dich tatkräftig unterstützen kann. Einmal ein Team, nie mehr allein, in Gedanken sind wir mit dabei, you ll never ride alone.
Die Turtmänner aus BE 🙂 (Giga 2011?)
Wale R.
Hey Wale, danke für diesen netten Kommentar. Falls du von einem Jöbli für mich hörst, bitte melden :-).