Etwas unwillig haben wir vor zwei Wochen das Meer an der Küste von Montenegro verlassen. Wir fragten uns: Kommt jetzt nur noch ödes Niemandsland, viel Armut und höllische Hitze bis nach Istanbul? Eigentlich peinlich, wie wenig wir vor dieser Reise von Südosteuropa wussten.
Klar, es gab ein paar Durststrecken: Die Anfahrt nach Pristina auf der Schnellstrasse hätten wir uns schenken können. Die Stadt ist wirklich keine Schönheit. Und der einzige Tag, den wir im südlichsten Zipfel von Serbien verbracht haben, hat uns auch nicht überzeugt. Umso mehr sind wir jetzt von Bulgarien überrascht – so sehr, dass wir sogar ein paar extra Schlaufen gemacht haben.
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Sofia ist definitiv eine Reise wert
Zwar bewegen wir uns in Bulgarien laut Lonely Planet auf den gefährlichsten Strassen Europas fort, aber wir hatten bisher bis auf eine Ausnahme nicht mehr Probleme als an einen normalen Rennvelotag in der Schweiz. Die Ausnahme war eine Strecke, welche mit der Kombination «viel Verkehr» und «viele Schlaglöcher» etwas unangenehm war, da man sich stets entscheiden musste, ob man nun den schmalen intakten Streifen am Strassenrand wählt oder auf die Fahrbahn ausschwenkt – beides kann gefährlich werden.
Die Anfahrt nach Sofia hingegen war problemlos. Und wir sind sehr froh, dass wir die Hauptstadt nach der Erfahrung mit Pristina nicht links liegen gelassen haben: Die Geschichte hat von den Römern über die Osmanen bis zu dem Kommunisten ihre Spuren in der Stadt hinterlassen. Man kann die Prachtbauten, Promenaden und Pärke bestaunen, indem man einfach etwas spaziert und schaut. Oder aber man nimmt an der Free Sofia Tour teil, die täglich um 11 und 18 Uhr beim Justizpalast startet und auf Kollekte basiert.
Wir waren so begeistert von den zwei Stunden, dass wir entschieden einen Tag länger zu bleiben und eine weitere Führung mit Fokus «Kommunismus» zu absolvieren. Guide Martin Zashev (33), Marketingspezialist mit Potenzial für eine erfolgreiche Karriere als Schauspieler, erzählte uns mitunter am Beispiel seiner beiden Grossväter – der eine ein Stalinfan, der anderen ein Regimegegner – wie das Leben unter kommunistischer Führung war.
Was man zu Sofia auch noch sagen muss: Das Angebot in den Bars und Beizen entlang der Flaniermeilen bewegt sich auf dem Niveau jeder anderen europäischen Hauptstadt – einfach viel günstiger.
Superlative in Bulgarien
Nach der Hauptstadt machten wir einen Abstecher ins Rila-Gebirge, wo wir das gleichnamige Kloster besucht haben. Es ist das bedeutendste und grösste Kloster der orthodoxen Christen in Bulgarien. Für Fans von Ikonenmalerei ein absolutes Muss, und für gläubige Christen sowieso. Wir fanden vor allem spannend, dass dieses christlich Kloster bereits so viele Orient ausstrahlt – überall Zierleisten, Ornamente und abstrakte Muster.
Mit Bansko folgte ein weiterer Superlativ: Der grösste Skiort des Landes, mit mehreren Fünfsternehotels so was das St. Moritz von Bulgarien, wobei die Luxushotels hierzulande normalerweise so viel wie eine Drei-Sterne-Haus in der Schweiz kosten. Natürlich hat ein Ski-Ressort im Sommer immer etwas Tristes, aber die Altstadt des Städtchens ist hübsch renoviert und zudem fand gerade ein Jazz-Festival statt, weshalb der Ort recht belebt war.
Und dann war da noch Velingrad, das mit seinen 90 heissen Quellen das beliebteste Heilbad von Bulgarien ist. Wir interessierten uns hier vor allem für die Bike-Wegweiser, die genauso aussahen wie jene von Schweiz Mobil, einfach mit kyrillischer Schrift.
Alles andere als bloss flach und heiss
Die drei Etappenorte wählten wir auch wegen der Temperaturen. In der thrakischen Tiefebene steigt das Thermometer derzeit täglich über dreissig Grad, während wir im Rila-Gebirge und in den angrenzenden Rhodopen meistens bei angenehmen 20 Grad unterwegs waren.
In meiner Vorstellung war der Balkan hinter der felsigen Adriaküste irgendwie nur noch flach und heiss. Vielleicht auch, weil man als Schweizerin insgeheim das Gefühl hat, nur die Alpen seien richtige Berge. Definitiv eine Bildungslücke, denn der Balkan heisst bekanntlich Balkan wegen dem gleichnamigen Gebirge, das sich von West nach Ost durch Bulgarien zieht – und das Balkangebirge ist eben bei weiten nicht die einzige Bergkette auf der Halbinsel.
Wir haben die Berge dann doch noch für einen Tag verlassen, weil wir Plovdiv sehen wollte. Der Provinzort wird Kulturhauptstadt 2019 und hat mindestens ebenso viel zu bieten wie Sofia – etwa das grösste römische Amphitheater in Südosteuropa, wunderschöne Parkanlagen und eine intakte Altstadt. Die sechste Etappe in Bulgarien und bisher längste Tagesstrecke überhaupt hat uns dann bereits über die Grenze nach Griechenland gebracht, wo wir nun wieder am Wasser sind – am ägäischen Meer.
Wunderschöne Reportage über Bulgarien. Das macht an, das Land selbst einmal anzuschauen.
Deine (eure) Reise ist wirklich spannend. Es scheint typisch zu sein für die heute Zeit: Die Vorbereitung von Abenteuern wie das eure ist Zeitaufwendig, aber man nimmt sich zu wenig Zeit. Man kann unterwegs immer noch ins Internet. Viel Glück für die Weiterfahrt.
Das ist tatsächlich so.
Liebe Andrea, ich lese mit grosser Spannung mit und kann dich/euch so ein bisschen begleiten, was mich sehr freut. Sehr spannend und schön geschrieben! Wünsche euch weiterhin eine pannenfreie Weiterfahrt, herzliche Grüsse, Christa
Danke liebe Christa
Hallo Andrea,
Danke das du dich wieder meldest. Habe schon deine Berichte vermisst.
Ca. 10000km hast du bisher mit deinem Velo gefahren. Herzlichen Glückwunsch für dies großartige Leistung!
Jetzt in China-eine ganz andere Welt?
Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch (Erich Kästner)
Viel Spaß in China!
Viele grüße aus dem kalten Deutschland.
Otto
28.01.2019