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Das Brautpaar: Albenita und Besnik Gashi aus dem Kanton Freiburg. (Bild: Andrea Freiermuth)

Der Kosovo heilt Vorurteile

Ich schäme mich. Richtig fest. Für alle Vorurteile, die man in der Schweiz gegenüber Menschen aus dem Kosovo hegt. Wir sind nun schon seit zwei Tagen in diesem kleinen Staat im Herzen des Balkans – und was wir erleben, berührt uns sehr.

Zum Beispiel dies: Da kommen zwei Radfahrer, die schon seit drei Stunden im Sattel sitzen und dementsprechend verschwitzt sind, auf einer kleinen Nebenstrasse an einem Hochzeitskonvoi vorbei, der gerade zum Haus der Familie abzweigt – und werden von der Strasse weg an das Fest eingeladen.

Im Trikot unter den Hochzeitsgästen

Mitgeschleppt werden wir vom Onkel des Bräutigams. Wir sind sehr neugierig, wissen aber erst nicht so recht, ob unsere Anwesenheit dem Rest der Hochzeitsgesellschaft und vor allem dem Brautpaar überhaupt recht ist. Auch fühlen wir uns in unseren Trikots mehr als fehl am Platz.

Deshalb bleiben wir zu Beginn mit sicherem Abstand in der Einfahrt zum Haus stehen, aber nicht lange: Von allen Seiten wird uns versichert, dass unsere Aufmachung überhaupt kein Problem sei – und dass wir doch unbedingt noch zum Essen bleiben sollen.

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Die Verständigung ist einfach: Die Frischvermählten, Besnik und Albenita Gashi, sind in der Westschweiz aufgewachsen, und mindestens die Hälfte der Anwesenden lebt sonst wo in Europa. Einzig die für uns ungewöhnlich laute Musik erschwert die Kommunikation etwas.

Zu Gast an einer Hochzeit im Kosovo: Im Bild das Brautpaar Besnik und Albenita Gashi.
Das Brautpaar: Albenita und Besnik Gashi aus dem Kanton Freiburg. (Bild: Andrea Freiermuth)

Gerne hätten wir noch etwas länger mit dem Brautpaar geplaudert, aber nach den Gratulationen und ein paar Tänzen ziehen sich die beiden zurück. Sie müssen sich etwas ausruhen. Das Fest hat bereits gestern begonnen, momentan sind nur die engsten Familienmitglieder anwesend – abends folgt dann die grosse Sause mit rund 400 Gästen.

Deutsch scheint die zweite Landessprache zu sein

Wir machen uns am späten Nachmittag weiter auf den Weg nach Pristina. Wir haben noch immer 60 Kilometer vor uns und die werden richtig anstrengend werden. Denn für einmal haben wir schlecht geplant und landen auf einer stark befahrenen Strasse: Bestimmt die Hälfte der Fahrzeuge hat Kennzeichen aus der Schweiz, Deutschland oder sonst einem mitteleuropäischen Land.

Wo wir auch anhalten, kommen wir bald mit jemandem ins Gespräch, der Deutsch oder gar Schweizerdeutsch spricht. Wobei wir uns dann nicht etwa mit Touristen unterhalten, sondern mit Secondos, die im deutschsprachigen Raum leben und ihre Sommerferien in der alten Heimat verbringen. Und immer sind die Leute wahnsinnig hilfsbereit – etwa, wenn es darum geht, die richtige Abzweigung zu finden.

Im Kosovo selbst die Schnellstrasse überlebt

Auf dem Weg nach Pristina wird das allerdings schwierig. Denn auf den letzten 40 Kilometer scheint es keine Alternative zur zweispurige Schnellstrasse zu geben. Was wir auch versuchen: Entweder enden die Strassen im Nirgendwo oder eben wieder auf der Autobahn. Wir überlegen kurz, ob wir ein Hotel mit Internet-Zugang suchen sollen und so doch noch ein Schlupfloch im Hinterland finden, beissen dann aber auf die Zähne und strampeln auf dem Pannenstreifen Richtung Hauptstadt.

Auf der Schnellstrasse Richtung Pristina: Wir fahren auf dem Pannenstreifen.
Auf der Schnellstrasse Richtung Pristina: Nicht gerade das, was sich Fahrradfahrer wünschen.(Bild: Andrea Freiermuth)

Wir überleben diesen Höllenritt unbeschadet und das obwohl wir im Heimatland der Balkanraser sind, so zumindest das Vorurteil. Wir konnten unsere Meinung vor Ort bilden und wissen jetzt: Auch wenn ein schnittiges Auto im Kosovo sehr wichtig zu sein scheint, prozentual gibt es hier nicht mehr motorisierte Deppen als anderswo auch.

Und übrigens: Es gibt auch im Kosovo ruhige Nebenstrassen. Erstaunlicherweise führte eine davon sogar über die einzige offizielle Grenze zwischen Montenegro und dem Kosovo, durch das Rugova-Gebirge – wo wir uns fast wie zu Hause fühlten.

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