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China ist gross und die Möglichkeiten unendlich: Soll ich Pink oder Violett fahren? Oder vielleicht ganz was anderes?

Orientierungslos in China

Bald sitze ich wieder auf dem Fahrrad. Aber wie soll ich bloss weiterfahren? Weil mein ursprünglicher Plan nicht klappt, bin ich orientierungslos.

Fast drei Monate hatte ich Zeit, trotzdem bin ich nicht viel weiter: In einer Woche werde ich wieder auf dem Velo sitzen und ich weiss immer noch nicht, wo die Reise hin soll. Falls es unter meinen Lesern und Leserinnen Leute geben sollte, die mich in irgendeiner Weise bei der Entscheidung unterstützen können: Her mit euren Ratschlägen!

Bis nach Dushanbe in Tadschikistan war alles so einfach gewesen: Immer schön Richtung Osten fahren, mit Peking, dem Ziel klar vor Augen. Doch dann habe ich im Dezember erfahren, dass ich für China kein Double Entry Visa erhalte.

Zu viele Möglichkeiten

Darum sitze ich jetzt in Shanghai und kann nicht wie geplant nach Tadschikistan zurück, um meine Reise nach dem Sprachkurs weiter Richtung Osten fortzusetzen. Diese Situation bereitet mir Mühe, weil sich daraus zu viele Optionen ergeben. Ich könnte von Shanghai nach Peking radeln. Ich könnte in der Provinz Yunnan starten, wo das Klima gerade sehr angenehm ist, und ausserdem wunderschöne Reisterrassen locken. Oder ich könnte versuchen, mein Projekt möglichst im herkömmlichen Sinne weiterzuführen. Das wäre ich eigentlich auch dem schönen neuen T-Shirt schuldig, das ich von Odlo erhalten habe.

Von Zürich nach Peking: Dass daraus nichts wird, wurmt mich noch immer. Darum konnte ich mich gar nicht richtig freuen, als Odlo das T-Shirt im Januar lieferte.

Wobei sich daraus zwei weitere Möglichkeiten ergeben: Entweder von Peking nach Kashgar und eventuell weiter nach Dushanbe radeln, womit ich zwar plötzlich in die andere Richtung unterwegs wäre, aber im Idealfall eine mit dem ursprünglichen Plan identische Linie auf der Karte ziehen würde. Oder ich fahre mit dem Zug nach Kashgar und mit dem Velo zurück nach Peking, womit ich weiter nach Osten radeln würde, aber einfach mit einer Lücke zwischen zwischen Dushanbe und Kashgar. Und dann wäre da noch Xi’an, das östliche Ende der historischen Seidenstrasse, das ich bei meinem ursprünglichen Plan zugunsten einer Ankunft in der Hauptstadt links liegen gelassen hatte. Vielleicht will mir das Schicksal einen Wink geben?

Zu viele Unsicherheiten

Derzeit tendiere ich dazu mit dem Hochgeschwindigkeitszug an diesen geschichtsträchtigen Knotenpunkt zu fahren. Xi’an wäre definitiv ein würdiger Start in die zweite Etappe. Allerdings gibt es dann immer noch zwei Probleme: Ich muss gleich zu Beginn mehrere hunderte Kilometer auf einer Höhe zwischen 1000 und 2000 Höhenmetern zurücklegen. Anfang April könnte das richtig kalt werden. Zudem führt die Route durch ein relativ dünn besiedeltes Gebiet mit vielen Ungewissheiten. Nach dem Austausch mit einem Warmshowers-Mitglied aus der Region weiss ich wenigstens, dass die Strasse in den Frühlingsmonaten schneefrei sein sollte.

Zu viel Verkehr

Bleibt noch die Frage: Gehts nach Osten oder Westen? Würde ich ab Xi’an radeln, könnte ich die Entscheidung noch etwas verzögern. Denn ich würde zuerst mal ein wenig gegen Norden fahren. Gefühlter Favorit ist derzeit eindeutig der Westen. Er ist landschaftlich attraktiver als der Osten, der je weiter östlich, desto dichter besiedelt ist. Auch wäre ich nach wie vor auf der Seidenstrasse. Und im Idealfall könnte ich im Juni sogar über den legendären Pamir Highway nach Dushanbe gelangen.

Zu viel Polizei

Allerdings gibt es im Westen ein Problem: Wegen politischen Spannungen ist das Reisen in der Provinz Xinjiang derzeit recht mühsam. Veloreisende berichten von mehreren Polizeikontrollen pro Tag, die zum Teil damit enden, dass man ins Hotel eskortiert wird. Die Beamten seien zwar immer sehr korrekt und ausgesprochen freundlich, aber das ganze Prozedere, sei zeitintensiv und verlangsame das Vorankommen extrem. Die vielen Checkpoints haben aber auch einen Vorteil: Es soll sie auch in der Taklamakan-Wüste geben, im Abstand von 50 Kilometern und das mit Trinkwasser und Stromversorgung.

Zu viele Gedanken

So oder so: Vielleicht fällt mir die Entscheidung auch so schwer, weil da auch wieder etwas Angst in der Magengrube sitzt. Unglaublich aber wahr: Da bin ich doch allein durch Teile des Irans und durch halb Zentralasien gefahren und sollte doch wissen, dass alles gut kommt. Zudem gilt China als eines der sichersten Reiseländer überhaupt.

Wahrscheinlich muss ich es so halten wie immer: Ich muss mir sagen, dass ich jederzeit abbrechen und aufgeben kann. Und wenn ich mal im Sattel sitze, dann bin ich wieder entspannt – womit ich aber damit immer noch nicht weiss, wo ich den zweiten Teil meine Reise beginnen soll.

Dieser Beitrag hat 12 Kommentare

  1. Sommer Christian

    Hallo Andrea Lege die Karte auf den Tisch mach deine funkelden Augen zu dreh dich einmal herum und zeige mit dem Finger auf die Karte. Das ist dein nächstes Ziel und schon hast du deine Route.Viel Glück
    Christian

  2. Steve

    Xinjiang scheint heikel zu sein, siehe im neusten Magazin

  3. Reto Wild

    Ich würde die Option Yunnan einlösen. Du musst Dir nichts mehr beweisen. Polizei, Verkehr und zu kalt sind Gründe, um eine Alternative zu wählen.

  4. Ruth Spitzenpfeil

    Machs wie Johnny Cash: Bike the line. Also mit dem Zug nach Kashgar und von da wie ursprünglich geplant nach Peking. Aber bestimmt nicht umdrehen oder sonst wo umherirren. Die Lücke zwischen Dushanbe und Kashgar opferst du den Bürokraten, aber nicht mehr. Ganz liebe Grüsse, Ruth

  5. Hans Schneeberger

    ich würde die Variante Xian wählen. Dann hast du noch ein wenig Zeit und die Stadt ist eh die Reise wert. Und die Höhe dürfte für dich eh kein Problem sein…
    So oder so: Hör auf zu zweifeln und mach einfach ;-)!

    1. Andrea

      Danke Schneebi, das ist genau das, was ich von einem guten Chef erwarte: Dass er mir vertraut, dass ich die richtige Entscheidung treffe. Und mich mit ein paar aufmunternden Worten los schickt.

  6. mebimabo

    Ein perfekter Beitrag, um Mansplaining zu aktivieren; sogar Ruth bringt via old Johnny indirekt Männerratgeberei rein…

    Aber dann doch bitte vernünftig, nicht prinzipiengeritten oder nach dem Zufallsprinzip… Steve und Reto haben Recht.

    Diese 6500-Kilometer würde ich empfehlen:

    https://www.komoot.de/tour/59731774?ref=wtd

    Shanghai – Kunming – Chengdu – Xi’an – Peking (6’521 Kilometer, 74 470 Höhenmeter)

    1. Zwischen Shanghai, Kunming, Chengdu und Peking gibt es krasse Sehenswürdigkeiten en masse.
    2. Mach mal eine Google Bildersuche zum Fanjing Shan, zum Emei Shan sowie zum Qiandao Lake.
    3. Zuerst ein Tag lang Zug fahren, obschon du das Verkehrsmittel dabei hast, ist kein Velo-Konzept.
    4. Kunming ist die Partnerstadt von Zürich, schon jetzt schön warm, ein Besuch wert.
    5. Papperlapapp viel Verkehr: Es gibt tausende Nebenstrassen im Herzland Chinas.
    6. Gewaltige Infrastruktur-Leistungen gibt es auch jenseits von Belt and Road!
    7. Die Linie auf den Odlos oder anderswo interessiert niemanden.
    8. So ein Zipfel sieht spannender aus als die Schlenker.
    9. Ich fürchte allfällige Pamir-Pläne.

    Nachdem ich diese Route geplottet habe, hätte ich sogar Lust, dabei zu sein, was aber nicht geht, weil ich noch ein paar Wald- und Forstwege zwischen Rorschach und Genf kennen lernen möchte, und weil nicht fliege.

    1. Hans Schneeberger

      Lieber Marc, Mansplaining at its best…

      1. Marc

        Danke! Vielleicht sollte ich einen Kurs anbieten? «Best practice mansplaining – Sie sind von selbstbewussten Menschen umgeben, welche Verhaltensweisen ertragen und nützlich finden, die andere wegen political correctness und anderen Unsicherheiten verhöhnen? Sie und Ihr Umfeld mag es, sich gegenseitig hart zu challengen? Lernen Sie mit diesem Praxiskus Mansplaining at its best!»

  7. Otto

    Hallo Andrea,

    Heute 25.03.2019 habe ich Dir GPS Dateien für deine Orientierung per Mail gesendet.Ich hoffe diese kommen an.

    Wie Du dich für welche Wege entscheidest alles Gute bei deiner aufregenden China reise.

    Grüße Otto

    1. Andrea

      Auf welche Adresse? Ist leider nix angekommen. Bin gespannt…

  8. Otto

    Hallo Andrea,

    Habe soeben ein Beitrag geschickt, ist der im Spam Ordner gelandet?

    Die Gps Dateien habe ich an die WordPress com Adresse geschickt. Wenn nicht richtig schick mir eine andere Mail Adresse.

    Grüße Otto

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